U.v. Beckerath,
(1) Berlin-Friedenau,
Schmargendorfer Strasse
21,III.
27.Jan.1952
Einige
Bemerkungen zum Vorschlug von Herrn David, eine Portomark als Wertmass
einzufuehren.
Napoleon sagt
in seinen "Memoires de Saint-Helene", dass er sich mit der
gewaltsamen Ersetzung der alt-franzoesischen Masseinheiten (FUSS, Pfund, Meile,
Zoll, Unze, Pinte, etc.) durch die neuen (Meter, Kilo, etc.) sehr viel ganz
unnoetigen Widerstand geschaffen haette. Wuerde man - - sagt Napoleon - die
neuen Masse mal zunaechst nur bei den Behoerden eingefuehrt haben (Zollaemtern,
Grundbuchaemtern, etc.) so werde sich das Volk allmaehlich, und wahrscheinlich
sogar in ein paar Jahren, an Meter, Liter, Kilo, etc. gewoehnt haben. So aber
meinten die Bauern und die Arbeiter, es sei doch irgendein Betrug dabei, und
vor allem wollten die Verkaeufer der neuen Massstaebe, Litergefaesse und
Gewichte verdienen.
Was Napoleon bei der Einfuehrung des metrischen Systems
beobachtete, gilt mutatis mutandis fuer jede Aenderung von
Masseinheiten. Ganz besonders aber gilt es bei der Einfuehrung neuer Wert-Masse.
Es ist der Muehe wert zu studieren, mit welcher Vorsicht Bismarck beim
Uebergang von der Silberwaehrung zur Goldwaehrung vorging. Auf Wiedergabe von
Einzelheiten muss hier verzichtet werden.
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Eine Portomark (also das Zehnfache dessen, was die Befoerderung
eines Briefes durch die Staatspost innerhalb Berlins kostet) gewaltsam von
heute auf morgen als obligatorisches Wertmass fuer alle Berliner einzufuehren,
erscheint ganz aussichtslos. Die Behoerden selbst wuerden da einfach nicht
mitmachen. Der groesste Teil der Abgeordneten sowohl als der Beamten werde das
Wesen der Portomark gar nicht verstehen. Wie weit das volkswirtschaftliche
Verstaendnis von Parlamentariern und Beamten geht, darueber machen wir ja
gerade hier in Berlin taeglich neue Erfahrungen!
Das
kleinste monetaere Uebel scheint das frei gehandelte Gold zu sein.
(Gruendliche Erwaegungen darueber, weshalb die Edelmetalle das kleinste,
monetaere Uebel sind, finden sich bei Adam Smith und bei Roscher.) Aber,
nicht jeder wird die Gruende fuer diese Meinung gelten lassen. Es kommt hinzu,
dass durch die jetzt in allen Laendern der Welt bestehenden Verbote, das Gold
als Wertmass zu benutzen, tatsaechlich das Gold als Wertmass nicht mehr so
brauchbar ist wie frueher, obwohl es nach der Meinung vieler (ich gehoere dazu)
immer noch das kleinste, monetaere Uebel ist. Gerade die Anhaenger dieser
Meinung aber muessen wuenschen, dass hierueber taeglich moeglichst viel Erfahrungen
gemacht werden. Erst durch die Vergleichung des Goldes mit andern Wertmassen
koennen seine besonderen Vorzuege erkannt werden. Es ist daher wuenschenswert,
dass das Gold als Wertmass moeglichst viel Konkurrenten bekommt, die Indexmark
und die Kilowattstunde, die Roggenmark und die Portomark, und was sich sonst
noch erfinden laesst. Um dem Golde diese Konkurrenz zu verschaffen muss die Freiheit
des Wertmasses proklamiert werden. Ja - - noch mehr - - die Freiheit in der
Anwendung beliebiger Wertmasse in Vertraegen muss als ein Grundrecht des Volkes
gefordert werden. Die Oekonomisten haben gerade in den letzten Jahrzehnten so
viel irrige Meinungen verkuendet und sie sogar in der Gesetzgebung durchzusetzen
gewusst, aus der Irrigkeit dieser Meinungen ist ein solches Unglueck
entstanden, und ausserdem haben sich die Oekonomisten in den letzten Jahren
eine derartig vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichende Sprache angewoehnt,
dass durch alles das die Meinungen dieser "Wissenschaftler"
unbeachtlich geworden sind. Das Volk hat sein altes Recht zurueckgewonnen,
selbst Erfahrungen machen zu duerfen, auch auf eigne Kosten und eignes Risiko
Irrtuemer begehen zu duerfen. Die Freiheit, die Irrtuemer berichtigen zu
duerfen, aus den gemachten Erfahrungen lernen zu duerfen und auf eigne Kosten
und eignes Risiko neue Experimente machen zu duerfen, gehoert natuerlich mit zu
den monetaeren Volks-Grundrechten. (Diese Rechte sind noch nie ausgearbeitet
oder gar proklamiert worden.)
"Volk"
heisst hier nicht "Volksganzes" im Sinne der Nazi-Terminologie,
sondern das Volk ist hier die Summe aller, die Vereinbarungen miteinander
treffen wollen und koennen. Volksrecht bedeutet also hier ein allen
vertragsschliessenden Parteien zustehendes Recht, das unabhaengig davon gilt,
ob andere das Recht in gleicher Weise ausueben. Mit den monetaeren Freiheiten
ist es also aehnlich wie mit der Religionsfreiheit. Die ist ein Volksrecht,
steht aber jedem einzelnen zu, unabhaengig davon, ob andere sie in gleicher
Weise gebrauchen.
Das
Recht, auf Grund einer Berliner Portomark Vertraege abschliessen zu duerfen
oder Verpflichtungen eingehen zu duerfen (z.B. angebotene Waren zu einem
Portomark-Preis zu verkaufen) muss also jedem Buerger, insbesondere aber jedem
Berliner zustehen. Fuer dieses Recht muss auch derjenige eintreten, der gegen
die Portomark sachliche Bedenken hat. Einige solcher Bedenken sollen hier
dargelegt werden.
Umfangreiche
Erfahrungen mit anderen Wertmassen als das umlaufende Landesgeld darstellt,
sind in der Inflationszeit von 1919 bis 1924 gemacht worden. Mehr als ein
Dutzend verschiedene Wertmassstaebe wurden effektiv angewendet. In den von
Gemeinden, Industrie-Firmen und anderen Stellen angewendeten Vertraegen,
marktmaessig gehandelten Anleihen und Verpflichtungen (z.B. Kilowattstunden zu
liefern) wurden als Wertmass u. a. angewendet: Gold, ohne naehere Angabe, am
Goldmarkt zu London gebuendeltes Gold, umgerechnet ueber den offiziellen
Devisenkurs, zu Pforzheim am Markt der Juweliere gehandeltes Gold, zu Berlin am
freien Markt gehandeltes Gold lt. Notiz im "Berliner Tageblatt",
Roggen, Notiz zu Berlin (Mittelkurs zwischen Angebotspreis und Nachfrage
preis), Durchschnittspreis an andern Markten, Weizen mit aehnlichen unterschieden,
Gold Zoll-Aufgeld (sehr verbreitet!), Ankaufspreis der Reichsbank fuer Gold
oder fuer Silber, Preis von Zinn, Kohle, Holz, Gas, Loehne bestimmter
Arbeitergruppen (Brauereidirektoren z.B. erhielten ihr Gehalt in Vielfachen des
Lohnes von Webern), etc.
Es
ergab sich, dass alle Indizes praktisch unbrauchbar waren und zu
Prozessen fuehrten, die sich nicht auf boersenmaessig gehandelte Waren bezogen.
Einer der Gruende ist folgender: Wer dem Boersenkurs nicht traut, der
kann entweder selbst zur Boerse gehen oder einen zuverlaessigen Beauftragten
hinschicken und zu den bekannt gegebenen Kursen entweder kaufen oder verkaufen.
Durch aktive Teilnahme am Boersengeschaeft (zu der praktisch jeder gelangen
kann) erfaehrt er auch Dinge, die dem Aussenstehenden ganz unverstaendlich sind
oder ihm als "Spekulation" erscheinen. Beispiel: Er traut dem
Roggenpreis nicht. Da fragt er einen Mokier: Wie waer's, wenn ich jetzt 1000
Zentner zu dem angebotenen Preis wirklich kaufte? Der Makler erkennt
schon aus der Frage, dass er mit einem Neuling zu tun hat. Seine Kunden zu
beraten ist ihm verboten. Dafuer sind die ausserhalb der Boerse arbeitenden
Kommissionaere da. Er fragt aber doch: Soll ich den von Ihnen vorgesehenen Kurs
als "Limit" eintragen, d.h.: Wenn sich etwa heute noch ein billigerer
Kurs ergibt, dann soll er fuer Ihren Auftrag gelten???? Natuerlich letzteres!
antwortet der Auftraggeber, halb erschrocken, denn daran hat er nicht gedacht.
Der Makler fragt weiter: Kaufen Sie nur, weil Sie dem Kurs nicht trauen, oder
wollen Sie den Roggen wirklich haben???? Na - - sagt der Auftraggeber -
- eigentlich wollte ich ja nur mal sehen, ob der Kurs auch nicht gemogelt ist!
Antwortet der Makler: Dann darf ich wohl gleichzeitig einen Verkaufsauftrag fuer Roggen in mein
Buch eintragen, sogen wir zu 1/8 % ueber Ihrem Einkaufskurs?? Dem Auftraggeber
wird zumute, als ob er sich auf Glatteis befaende, und wirklich: er befindet
sich auf Glatteis! Roggenhandel ist ein Geschaeft, das wie jedes andere gelernt
sein muss und Erfahrung erfordert. Der Makler aber erkennt sehr wohl,
was los ist und sagt: Wissen Sie was? Stornieren Sie Ihren Auftrag einfach! Das
kostet eine kleine Geschaeftsgebuehr, die koennen Sie sozusagen als Auskunftsgebuehr
ansehen, ist allerdings sofort zahlbar! Der Auftraggeber akzeptiert mit
Vergnuegen, denn er weiss was er wissen wollte. Sein Eindruck von der
Boerse ist aber, dass es da ehrlicher zugeht, als er gemeint hatte.
Nebenbei: Frueher war es erlaubt,
Geschaefte "mit Praemie" abzuschliessen. D.h.: wenn man am
Lieferungstermin kein Geld hatte oder aus einem anderen Grunde den Kauf
bereute, so zahlte man ein "Reugeld" (die Praemie) - - etwa 1% vom
Kaufpreis - - und trat dann vom Vertrag zurueck. Wer wirklich ueber die
Marktlage unterrichtet sein wollte, der musste wissen, wie viel Roggen
"auf Praemie" gehandelt war. Darueber kann man sich and der Boerse
unterrichten. Bei nicht boersenmaessig gehandelten Waren aber ist man ueber die
wirkliche Marktlage immer im Unklaren und daher in hohem Masse dem
Zufall ausgeliefert. Praemiengeschaefte in Getreide sind auf Veranlassung der
Agrarier verboten worden. Es zeigte sich, dass die Bauern grossen Schaden davon
hatten, ein paar wirkliche Spekulanten aber Nutzen. Es zeigte sich ferner - -
was aber die agrarischen Abgeordneten nicht gewusst hatten - - dass
"Praemienware" einen sehr viel stabileren Kurs hat als andere. Die
Ursache ist klar: Bei heftigen Kursschwankungen geschieht es, dass viele
einfach "aussteigen". Das duerfen sie heute nicht mehr.
Bei
allen boersenmaessig gekauften Waren sind die vielen
"Nebenbedingungen" in einem Normal-Kaufvertrag festgelegt. Der gilt,
wenn nichts anderes ausdruecklich vereinbart ist. Ein
"Ueber's-Ohr-Hauen" kann daher, wenn man sich eines Maklers bedient,
kaum vorkommen.
Bei
der "Portomark" findet - - natuerlich - - kein boersenmaessiger
Handel statt. Das vermehrt aber eher das Risiko, als dass es das Risiko
vermindert. Beispiel:
Schon
lange vor dem ersten Weltkrieg wurden von Zeit zu Zeit Gemeinden nahe bei
Berlin in den Post-Stadt-Verkehr eingeschlossen. Dadurch wurde die Portomark
natuerlich wertvoller. Aber, um wie viel wurde sie wertvoller? Das kann niemand
sogen. Die Boerse werde in einem analogen Fall die Werterhoehung rein empirisch
in wenigen Tagen festgestellt haben.
Ferner: Wenn auch im Grossen
und Ganzen die Kaufkraft der Portomark stabiler ist als die Kaufkraft des
Zwangskurs-Papiergeldes, so ist doch unmittelbar nach einer Veraenderung des in
Papiermark ausgedrueckten Briefportos die Veraenderung der Kaufkraft sehr
erheblich. Beispiel: Zwischen 1925 und 1932 wurde dos Porto fuer einen
Stadtbrief von 5 Pfg. pro 20 Gramm auf 8 pfg. pro 20 Gramm erhoeht. Das
bedeutete eine Entwertung der Portomark bzw. ihrer Laden-Kaufkraft um 3/8 = 37%
an einem Tage. Auf die Bedeutung der andern, vorgekommenen
Porterhoehungen braucht hier nicht eingegangen zu werden.
Ferner: Unter Stephan betrug das Porto fuer einen Stadtbrief
(fuer ein viel kleineres Postgebiet als heute!) von 10 Gramm: zehn Pfg.
(Hoffentlich taeuscht mich mein Gedaechtnis nicht!). Spaeter wurde das Gewicht
auf 15 Gramm erhoeht und nachher sogar auf 20 Gramm. Das waren erhebliche
Aufwertungen der Portomark, eingetreten an einem Tage, und deren Ausmass
sich kaum abschaetzen laesst, weil hier alle Daten zur Abschaetzung fehlen.
Trotz aller dieser Maengel der Portomark aber und der Bedenken
gegen sie als Wertmass, waere doch z.B. ein im Jahre 1880 abgeschlossener und
im Jahre 1923 abgelaufener Vertrag auf Lieferung einer Geldsumme nicht
unerfuellbar gewesen. Der Richter wuerde sich gewiss auf folgende Art geholfen
haben: Er wuerde von der Universitaet die Adresse eines zu jener Zeit besonders
kompetenten Waehrungsspezialisten angefordert hoben. Die Universitaet wuerde dem
Richter vielleicht die Adresse des Professors Herbert von Beckerath in Bonn
gegeben hoben. Der hatte sich i.J. 1921 durch seine Schrift "Die
Markvaluta" bestens eingefuehrt. (Er hatte u.a. dargelegt, dass eine
Rueckkehr zum Stande von 1914 durch Preissenkungen nicht mehr moeglich sei - -
worauf die Skribler ein furchtbares Wutgeheul erhoben, denn gerade dos hatten
sie seit Jahren gefordert, Zeitungsschreiber und Gewerkschaftssekretaere.
Abgeordnete und Minister.) Der Gutachter wuerde noch bestem Wissen und Gewissen
eine Schaetzung gegeben haben, und die haette der Richter sehr wahrscheinlich
angenommen.
Es ist hier der Einfachheit halber nur die
"Wertstrecke" fuer die ersten Gramm eines Stadtbriefes beruecksichtig
worden. Aber, man kann ja auch Stadtbriefe abschicken, die mehr als 20 Gramm
wiegen, heute bis 1000 Gramm. Frueher bestanden darueber ganz andere
Bestimmungen. In einer "Theorie der Portomark" muessten die
Veraenderungen beruecksichtigt werden.
Ferner: Als Stephan seinen
ersten Tarif herausbrachte, da waren die Loehne noch viel niedriger als
spaeter, und ein Stadtbrief von 10 Gramm kostete in Lohnmark umgerechnet sehr viel mehr als 30 Jahre
nachher. Das kann auch nicht unberuecksichtigt bleiben.
Alle diese Schwierigkeiten sind wohl nicht unueberwindlich. Die
Schwierigkeiten duerfen aber nicht ignoriert werden. Wer eine Portomark
vorschlaegt, der muss seinem Vorschlag eine Meinungsaeusserung beifuegen
darueber, wie man die Schwierigkeiten ueberwinden koennte.
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Die
Natur von Boersengeschaeften ist heute den allermeisten unbekannt. Das
von den Agrariern aufgebrachte Schlagwort van "Giftbaum Boerse" gilt
bei den allermeisten immer noch als richtig. Viel vernuenftiger erscheint
demgegenueber eine schon unter Friedrich Wilhelm I herausgekommene Verordnung
fuer Berliner Kaufleute, wonach sie regelmaessig die Boerse besuchen mussten. Diese Verordnung brachte in weite
Kreise Kenntnis von der wahren Natur der Boersengeschaefte und eine Einsicht,
dass es im oeffentlichen Interesse liegt, moeglichst viel Gueter dem
Boersenhandel zugaengig zu machen und moeglichst viel Personen cm Boersenhandel
teilnehmen zu lassen.
In grossen Staedten zeigt es sich, dass eine Boerse dem
Beduerfnis nicht genuegen kann. In New York entstand schon bald noch der Etablierung
der nur den Fachleuten zugaengigen, offiziellen Boerse, die
"Curb-Exchange". ("Curbs" das sind Prellsteine an den
Strassenecken. Auf die stellten sich in alten Zeiten die Ausrufer.) Die hat
sich inzwischen ebenfalls ein luxurioeses Gebaeude geschaffen, in das nicht
jeder hineinkamt. Andere Strassenboersen haben sich etabliert, ueber die
allerlei zu sogen waere. (Bankiers gehen nicht hin, aber Bankangestellte mit
Vorliebe und verwenden da ihre Fachkenntnisse.)
Die
Erfahrung hat inzwischen gezeigt, dass auch das Gold seine Eigenschaft
als kleinstes monetaeres Uebel dem Umstand verdankt, dass es boersenmaessig
gehandelt werden kann. Wo der Goldhandel nicht verboten ist, da kann jeder
Arbeiter die Ehrlichkeit der Kurse nachpruefen, indem er entweder ein Goldstueck
zu kaufen sucht oder eines zu verkaufen versucht. Wer heute fuer den Goldstandard
eintritt, der muss logischerweise mal zunaechst fuer voellige Freigabe des
Goldhandels eintreten. Viele meinen z.B., dass es z. Zt. einen Welthandelspreis
fuer Gold gaebe; den gibt es aber nicht. England und die USA verbieten immer
noch den Handel in Gold.
Der
Welthandel in Gold vollzieht sich unvermeidlich auf dem Umweg ueber die
Devisenkurse. Freie Devisenkurse gibt es aber wohl in keinem Land. Die Folge
ist, dass die Differenzen fuer Goldpreise an den einzelnen Boersen und fuer die
einzelnen Goldsorten ueberraschend gross sind. And der Pariser Boerse wurden
kuerzlich verschiedene Kurse notiert fuer Barrengold (1 Barren = 400 Gramm),
fuer Napoleons d'or, fuer "Vreneli" (Schweizer 20-Francs-stuecke),
fuer Sovereigns und Juweliergold. Es ist daher zu fordern, dass hier in Berlin
ein voellig freier Goldmarkt zugelassen wird, ebenso frei wie Maerkte zu Paris
und zu Tanger.
Bei Gliedern ist es immer noch
besser eine Forderung in Gold zu haben als eine in Papierwaehrung. (Nachrichten
ueber den Goldhandel regelmaessig in dem von Zickert zu Vaduz
herausgegebenen "Wirtschaftsspiegel". Zickert ist ein Berliner
Finanzmann: er fluechtete vor den Nazis nach Vaduz.)
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Da z. Zt. in jedem Lande (Ausnahme Tanger)
vorgeschrieben ist, die Waren in den Laeden und Lagern mit denjenigen Preisen
zu bezeichnen, die fuer die jeweilige Papierwaehrung Geltung haben, so ist die
Umrechnung dieser Warenpreise auf andere Werteinheiten schwierig - - nicht etwa
nur arithmetisch. Schon die Anwendung des Goldpreises auf Berliner Warenpreise
ist schwierig, weil es naemlich keinen Berliner Goldpreis gibt. Der Frankfurter
ist offenbar von der Regierung nur toleriert. Man weiss auch nicht, unter
welchen Bedingungen er zustande kommt, auch kennt man nicht die Menge des zu
Frankfurt umgesetzten Goldes. Neben dem Boersenpreis des Goldes gibt es zu
Frankfurt noch einen amtlichen Preis, der sehr viel niedriger ist, und den die
"Welt" regelmaessig veroeffentlicht. (Der Feingold- preis wird
auffallenderweise unter der Rubrik "gesprochene Banknotenkurse"
veroeffentlicht.
Die Umrechnung der Berliner Warenpreise auf Portomark waere
arithmetisch leicht; in Vortraegen aber muesste die Moeglichkeit
beruecksichtigt werden (wie?? soll hier nicht ausgefuehrt werden), dass
das Porto geaendert wird. Die Aenderung gilt ja ploetzlich, so dass sich
das ergibt, was die Statistik einen "Treppen-Index" nennt - - eine
oekonomisch unerwuenschte Sache.
Gemildert werden die Schwierigkeiten, wenn
Schuldverpflichtungen auf Gold, auf Portomark, etc. ausgestellt werden, und
diese Wertpapiere werden boersenmaessig gehandelt. Auf die Einzelheiten bei der
Durchfuehrung einer solchen Massnahme kann hier nicht eingegangen werden.
(Analogon : "Goldanleihe-Mark" zur Inflationszeit, wo die
Goldanleihe-Mark noch etwas anderes war als die Goldmark.)
Das Endziel muss sein, dass die Warenpreise sowohl als Loehne
und umlaufendes Geld in der gleichen Werteinheit bewertet werden, und dass
diese Einheit das kleinste, monetaere Uebel darstellt.
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Was den Boersenhandel anlangt, so ist es vielleicht
nicht ueberfluessig hier die Bemerkungen von Georg Obst wiederzugeben in
seinem Werk "Kapitalanlage und Wertpapiere". Obst ist ein
Finanzschriftsteller von anerkannter Autoritaet. Ueber die deutschen
Boersengesetze von 1896, welche die "Spekulation" einschraenken
sollten, aber wahrscheinlich das Gegenteil bewirkt haben, sagt Obst: (Seite 78
der Auflage von 1902)
"Fuer die so genannten Boersianer im Verkehr
miteinander hat das Boersengesetz keinen Nutzen. Treu und Glauben, die bisher
die Grundstuetzen der Boerse waren, werden es auch ferner bleiben. Durch ein
zustimmendes Wort, eine zustimmende
Bewegung sind bisher Geschaefte von grossem Umfang auf Treu und Glauben
abgeschlossen worden. So gut wie nie ist, wenn das Geschaeft fuer den einen
Teil unguenstig abgelaufen war, dabei der Einwand des Differenzgeschaeftes
gemacht worden. Die Wenigen aber, die diese Unehrenhaftigkeit begangen haben,
sind vom Ehrengericht der Boerse mit der schwersten Strafe belegt
worden, welche es erteilen kenn, Verweisung von der Boerse."
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Zum
Schluss moegen hier noch ein paar Worte darueber gesagt werden, die nationale
Arbeit als Wertmass des Papiergeldes zu benutzen.
Diejenigen,
die da behaupten, das Papiergeld sei durch die nationale Arbeit gedeckt,
und die sich darauf berufen, dass das, was man fuer Papiergeld kauft, doch erarbeitet
sei, die uebersehen absichtlich oder aus Unwissenheit folgendes:
Dass
die Waren in den Laeden und in den Lagern eine bestimmte Menge Arbeitsstunden
gekostet haben, das ist richtig. Es ist aber offenbar nicht gleichgueltig, ob
einer Produktenmenge, die etwa 30 Milliarden Arbeitsstunden gekostet hat
(soviel betraegt schaetzungsweise noch Prof. Hirsch - - 1930 - - der Wert der
zum Verkauf bereit liegenden Gueter in Deutschland, die Arbeitsstunde mit 1
Mark gerechnet), eine Papiergeldmenge von rd. 7 Milliarden oder von 70
Milliarden gegenueber steht. Vermehrt die Regierung die Menge der Noten von 7
Milliarden auf 70 Milliarden, so kann jede Note unmoeglich viel mehr wert sein
als etwa 1/10 dessen, was sie vor der Inflation wert war. Der verbleibende,
geringe Wert der Noten kann dann allerdings immer noch zum Einkauf dienen, und
die Nazis koennen dann immer noch sagen: Die so sehr angeschwollene Notenmenge
ist immer noch durch die "Arbeit des Volkes gedeckt".
Das
Jahr 1923 war ein Jahr grosser Produktivitaet (die Ernte war eine der besten)
und gleichzeitig ein Jahr der groessten Inflation aller Zeiten. Schon diese
einfache Tatsache zeigt, dass in der Behauptung:
"Das
Papiergeld ist durch die nationale Arbeit gedeckt" ein Betrug stecken
muss, mindestens aber ein Denkfehler. (Anmerkung von J.Z.: Der Wert der Arbeit
gehoert den Arbeitenden und darf nicht von der Regierung mit Papiergeld oder
anderen Steuermassnahmen belastet oder beschlagnahmt werden, auch nicht mit der
Entschuldigung, dass er doch die nationale "Deckung" darstelle! Nur
die Deckungs-Eigentuemer koennen darauf rechtmaessig Anweisungen ausstellen!
12/1981.)
Der
Denkfehler besteht u.a. auch darin, dass je die Arbeit selbst dem Werte nach
durch das Papiergeld gemessen wird (Loehne in Papiermark!). Dieser Bewertungsmethode
der Arbeit darf sich kein Arbeiter entziehen (Zwangskurs des Papiergeldes).
Wenn
die Arbeitsgenossenschaften das Recht haetten eignes, auf Arbeitsstunden
lautendes, zwangskursfreies Geld auszugeben, etwa in der Form von typisierten
Verrechnungsschecks, welche die Genossenschaft wie bares Geld annimmt, wenn
denn noch die Produkte der Genossenschaften in diesem Gelde bewertet werden,
auch in den Laeden, dann koennte die Werteinheit die Arbeitsstunde sein, und
dann waere insofern auch sichtbar das Geld durch Arbeit gedeckt. Der freie Kurs
dieses Geldes waere aber notwendig. Viele Oekonomisten haben aber dargelegt,
dass nicht nachgefragte Arbeit wertlos ist, daher auch nicht als
"Deckung" verwendet werden kann. Es waere leicht, auch diesen Satz im
Anschluss an das oben Gesagte zu demonstrieren.
U. v.
Beckerath.
27.1.1952.
(Anmerkung 12/82 von J.Z.: Wie
unbedeutend der Arbeitswert in einem Produkt oft ist wurde mir gestern durch
einen Karton voll von ueberreifen Bananen demonstriert. Kurz nach dem
Mittagessen hatten wir sie geschenkt bekommen von einem Fruchthaendler dessen
gute Kunden wir sind. Zu dieser Zeit waren die meisten noch gut essbar. Aber
als sie zum Abendessen, um 5 Uhr, durch Selbstbedienung unter etwa 40 jungen
Leuten verteilt werden sollten, da waren etwa ein Drittel davon aeusserlich
schon so schwarz geworden und innerlich verweicht, dass keiner sie mehr haben
wollte. Die Anhaenger der Arbeitswerttheorie sollten sich nun fragen: Was
geschah mit dem "Arbeitswert" dieser Bananen? Eine
Goldrechnungswaehrung macht keinen Anspruch darauf direkt einen Arbeitswert zu
repraesentieren. Sie drueckt viel mehr aus was ein Gut oder eine Dienstleistung
einem Konsumer wert ist. Nebenbei bemerkt, der Fruchthaendler hatte uns gewarnt
dass die Bananen nur zum Sofortgebrauch gut sein werden.)
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First published in: Ulrich von
Beckerath: Zur Freiheit, zum Frieden und zur Gerechtigkeit; Gesammelte Briefe,
Papiere, Notizen, Besprechungen. PEACE PLANS 428-467 (Mikrofiche), Berrima,
Australia, 1983. Page 2160-2164.